Stadtbefestigung
Eine Stadtbefestigung war ein zentrales Merkmal einer mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Stadt. Zum einen diente sie zur rechtlichen Abgrenzung einer Gemeinde vom Umland und eines Rechtsbezirks, zum anderen bot sie den Bürgern der Stadt vor allemSchutz vor feindlichen Überfällen. Aus welchem Material und mit welchem Aufwand der Bau einer solchen Mauer betrieben wurde, hing vor allem von der Wirtschaftskraft und dem verfügbaren Baumaterial der jeweiligen Städte ab.
Stadtwerdung Aichachs
Die Stadt Aichach, welche auf der rechten Uferseite im Paartal gelegen ist, war verkehrstopographisch ein wichtiger Knotenpunkt der Handelsstraßen Augsburg - Regensburg und München - Donauwörth. Die Stadtwerdung Aichachs fällt (nach Alois Schmid und Wilhelm Liebhart) in die Regierungszeit Ottos II. und erstreckte sich über das gesamte 13. Jahrhundert mit der Intention, wie bei anderen Städten auch, die Grenzen des Herzogtums abzusichern, ein Vordringen der bischöflichen Macht zu unterbinden, das Land wirtschaftlich zu beleben und die Verwaltung zu organisieren. Die Altstadt hat sich über die Jahrhunderte nur wenig verändert und bestand bis ins 20. Jahrhundert aus der Innenstadt mit Oberer und Unterer Vorstadt.
Hier ein historischer Stadtplan aus dem Jahr 1813:
Quelle: Bayerische Vermessungsverwaltung, Geobasisdaten: Bayerische Vermessungsverwaltung, http://vermessung.bayern.de/file/pdf/7203/Nutzungsbedingungen_Viewing.pdf
Auf- und Abbau der Stadtmauer
Bereits im 12. Jahrhundert soll der Kern Aichachs von einer Wall-Graben-Anlage mit aufsitzender Palisade umgeben gewesen sein. Diese bestand großteils aus Holz und Erde. Allerdings ist dies nur eine Hypothese, da das genaue Aussehen der Stadtmauer vor dem 14. Jahrhundert bislang nicht rekonstruiert werden konnte. Die erste steinerne Befestigung wurde laut einer Urkunde 1331 in Form einer Ringmauer gebaut. Da sich die Stadt Aichach um den Bau und den Unterhalt der Stadtmauer kümmerte, musste keine Marktsteuer mehr nach München abgeführt werden. Es sollte aber sichergestellt werden, dass die gesparten Steuern in den Mauerbau flossen. Bereits am Ende des 14. Jahrhunderts musste die neu errichtete Stadtmauer ihre erste Bewährungsprüfung bestehen, als es 1393 aufgrund eines Streits über die Vormundschaft der Kinder des verstorbenen Landshuter Herzog Friedrichs zur ersten Belagerung Aichachs kam. Dabei wurden lediglich die Vorstadt und die umliegende Landschaft verwüstet, die Stadt selber nicht.
Um 1418 wurde die Stadtmauer unter Ludwig im Barte weiter ausgebaut. Der Wappenstein an der heutigen Spitalkirche zählt getroffene Baumaßnahmen auf.
Der Wappenstein an der Spitalkirche
Die Inschrift am Wappenstein lautet: „als man zalt (zählt) von Christi gepurt vierzehn hundert und in dem achtzehenden Jar (1418) hat hertzog Ludwig, hertzog von Bayern und graff zu Mortany, der Königin von Frankreich Bruder, angefangen und lid (legte) den Zwinger umb die Vest (den ausgemauerten Wall um die Veste), und die torn (Tor-Türme) und die Prugli und über die Graben umb die Stat (Zugbrücken und Pallisadenzäune), und die Wasser-Stuben (Schleusenzüge) in die Graben, dartzu hat er die Bere auf der Statmauer erhöhen (die Gänge mit Schießscharten wurden höher gemacht) und decken lassen (mit Dachung), auch das Polwerk vor den toren machen lassen (die Tor-Bastionen) und viel ander nützliche paw an der Vest (Bauwerke an der Veste) und stat Aichach. Pit Got für sein Sel.“
aus: Karl Christl, Aichacher Geschichte(n), Band 12
Aichach wurde während der Landshuter Erbfolgekriege mehrmals besetzt, die Stadtmauer hielt allerdings stand. Erste gravierende Beschädigungen kamen erst zur Zeit des 30-jährigen Kriegs. Schwedische Truppen besetzten Aichach und es kam zu Brandstiftungen. Nach dem Krieg war ein umfangreicher Wiederaufbau von Nöten. Zur Zeit der Koalitions- und Befreiungskriege befand sich die Stadtbefestigung im mittelalterlichen Zustand, weshalb 1806 beschlossen wurde, die Mauer aufzugeben. Einzelne Abschnitte wurden an private Haushalte verkauft und die Stadtgräben eingefüllt. Die letzte große Abbaumaßnahme wurde 1930 am Flunkturm vorgenommen. Dieser musste aufgrund verkehrstechnischer Gründe abgerissen werden.
Standhaft bis heute
Die Aichacher Altstadt wird bis heute durch die beiden impoisanten Stadttore und die verbliebenen Wehrtürme geprägt.
Das Obere Tor ist eines der imposantesten Wahrzeichen der Stadt. In den Jahren um 1331 wurden die beiden Stadttore Aichachs im Zuge des Befestigungsausbaus errichtet. Zu Zeiten des Dreißigjährigen Krieges zerstörten schwedische Streitkräfte das Stadttor bis auf den Torbogen. Erst sechzig Jahre später, 1697, erfolgte unter Stadtbaumeister Adler der Wiederaufbau des massiven Tores in barocken Formen. Als die Stadtbefestigung ihre militärische Funktion verloren hatte, kam es zu baulichen Veränderungen. In den 1860er Jahren wurden die seitlichen Fußgängerdurchgänge geschaffen.
Bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts war das Obere Tor Arbeitsplatz und gleichzeitig auch Wohnort des Türmers. Wie andernorts waren auch die Aichacher Türmer ausgebildete Musiker, denen die Musikpflege in der Stadt oblag. Als Musikmeister prägten sie das städtische Leben bis in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Zur Aufgabe der Türmer gehörte aber auch die namengebende Turmwache. Dabei hatten die Türmer die Bewohner der Stadt bei drohender Gefahr mit einem Trompetensignal zu warnen. Davon zeugt auch die traurige Anekdote über den Stadttürmer Luitpold Port. Im Jahre 1899 war es zu einem schweren Unwetter gekommen. Als Luitpold Port zum zweiten Mal Alarm blasen wollte, traf ein Blitz seine Trompete. Er überlebte nur knapp und blieb durch den elektrischen Schlag zeitlebens gelähmt.
Heute schmücken die Außenseite des Tores eine steinerne Inschrift von 1508 mit dem Wappen Aichachs. Auf der Innenseite ist eine große Gedenktafel zu sehen, die an die Zerstörung der Stadt im Dreißigjährigen Krieg erinnert. Darunter hängt eine 36 Kilogramm schwere Kanonenkugel aus dieser Zeit.
Das Untere Tor, das wie das Obere Tor um 1331 Herzog Ludwig zum Schutz der Stadt erbauen ließ, ist einfach und schlicht gebaut und hat sich seinen altertümlichen Charme bis heute erhalten. Durch einen Großbrand im Jahre 1634, der fast die ganze Stadt zerstörte, wurde auch das Untere Tor stark beschädigt. Vor allem das Dach des Tors brannte komplett ab. Erst 1648 erhielt das Tor sein jetziges Dach, das auch „Spitzhelm" genannt wird. Die drei Kanonenkugeln, die am Tor befestigt sind, wurden bei Restaurationsarbeiten gefunden und erinnern an die Zerstörung des Turms im Laufe des Dreißigjährigen Kriegs. Über deren Herkunft und Alter ist jedoch nichts bekannt.
Die Außenseite des Unteren Tors schmückt ein Gemälde von 1893, das die Befreiung Aichachs von den Schweden durch General Johann von Werth zeigt. Der Künstler des Freskos ist Walter Heubach (1865-1923), der zur damaligen Zeit der bekannteste Maler der Umgebung war und sich unter anderem auf die Zeit des Dreißigjährigen Kriegs spezialisiert hatte. Heute wird das Untere Tor als Wittelsbacher Museum von der Stadt genutzt.
Etwas mehr versteckt sind die drei bis heute erhalten gebliebenen Wehrtürme: Specht-, Auer- und Köglturm. Sie sind nach den jeweiligen Besitzern benannt, die nach 1805 die Türme von der Stadt kauften. Der Köglturm wurde 1950 der Stadt geschenkt und dient seither als Ausstellungsraum.